Die Glöckner der Piaristenglocke

Es ist selten geworden, Glocken mit Muskelkraft zu läuten. Besonders, wenn sie über 5000 Kilo wiegt. In der Piaristenkirche in Krems gibt es noch vier Glöckner, die diese Traditopn pflegen. Seit 39 Jahren steigen sie fünf mal im Jahr die Stufen empor, um die grosse Glocke zu läuten. Zwei Männer, die diagonal gegenüber stehen, geben dabei den Rhythmus vor. EIn Glöckner ist mehr oder weniger für das Aufwenden von viel Kraft mit dabei. Der „Bremser“ des Quartettes hat beim letzten Glockenschlag die Aufgabe, den Klöppel mi einem Seil einzufangen. Weil die Glockenläuter in einem extrem lauten Umfeld sind und sich mit Reden nicht verständigen können, macht Wolfgang wie ein Dirigent nach dem letzten Schlag eine wischende Handbewegung im Gesichtsfeld von Hans. Das ist das Signal für den Bremser Hans, mit einem Satz in Richtung Klöppel zu springen, und diesen mit zwei Seilumdrehungen und rasches Verzurren am Dachgebälk vor einem weiteren Anschlagen an die Glocke zu hindern. Das gefährliche Manöver machen die Glöckner, damit die Glocke nach dem letzten Schlag sauber verstummt und nicht atonal nachschlägt. Nach dem Läuten setzen sich die Glöckner noch in die Turmstube und feiern den Tag mit einem Glöschen Wein aus der Wachau.

Dörren für den Winter

Wenn im Herbst die Äpfel, Zwetschken und Birnen von den verstreut um den Bauernhof stehenden Bäumen fallen, ist die Zeit des Obst-Dörrens. Für einige Wochen ist das Dörrhaus am Rand der Wiese ein kleines, aber wichtiges Wirtschaftsgebäude.  Es ist eine urtümliche Art der Haltbarmachung von Nahrung.  Obst Sammeln, in Laden Schlichten, Sortieren und unter der Einwirkung von trockener Hitze entwässern. Jedes Stück wird mehrfach gewogen, eigeschätzt, zugeordnet, behandelt. Um eine Birne in eine Kletze zu verwandeln, muß Leonore Latschbacher aus dem Mostviertel eine Woche lang im 3-Stunden-Rhythmus einheizen, rund um die Uhr. Das Dörrhaus steht abseits des Hofes, auch wegen der Brandgefahr. Belohnt wird die Familie mit eigenen Dörrpflaumen für den Zwetschkenkrampus, Apfelchips und Apfelscheiben für das Studentenfutter und Kletzen für das Weihnachts-Früchtebrot.

Gefrorene Trompeten

Egal zu welcher Jahrezeit, bei Firma SCHAGERL im niederösterreichischen Mank werden Trompeten höchster Güte hergestellt. Manche Musiker behaupten sogar, es seien die besten Instrumente der Welt. Ein wohl gehütetes Geheimnis ist die Rezeptur der blauen Masse, welche in die Trompeten gefüllt wird, damit sie formgerecht gebogen werden können. Nach der Befüllung der Schalltrichter mit der Masse wird in einer Kältekammer bei arktischen Temperaturen gekühlt. Etwa minus 80 Grad Celsius zeigt das Thermometer. Danach wird Jedes Instrument durch Biegen von Hand in Form gebracht. Die erstarrte Masse verhindert, dass das Messing unschön einbuchtet. Ein Instrumentenbauer scherzt während der Arbeit; „Hoffentlich vergisst die nächste Abteilung der Produktion nicht, das blaue Zeug rauszuwaschen, sonst gibt es beim ersten Solo Seifenblasen!“

Der Pfingstkönig

Er gehört zu den eigentümlichsten Bräuchen in Pannonien: Die jährlich zu Pfingsten stattfindende Kür zum Pfingstkönig. Mehrere Stunden lang dauert das „Ankleiden“ mit frischen Lindenblättern. Diese Zeremonie wird von den Männern in akribischer Einhaltung der traditionellen Abläufe durchgeführt. Hohes Geschick und Wissen um die handwerkliche Technik gehören dazu, um das Blätterkostüm stabil und haltbar zu gestalten. Zum Schluß bekommt der Bub bei diesem Initiations-Ritual auch eine Kopfbedeckung aus dichtem Laub. Ab nun ist er blind und muß an warmen Tagen durch Trinkhalm mit Wasser versorgt werden. Der Pfingstkönig wird von Mädchen flankiert und so durch das Dorf geführt. Geschenke erwartet die Gruppe beim Läuten an Türen. Eine mitgeführte Musikkapelle spielt manchmal auf und die schlangenförmige Prozession ändert ihre Formation zum Kreis und tanzt im Reigen.

Kloster-Karpfen

Tausende Fische kreisen im klaren Quellwasser des Stiftes Kremsmünster. Der Wasserreichtum des Traunviertels hat die Mönche schon vor einigen hundert Jahren auf die Fischzucht gebracht. Um die Klosterküche für „Karpfen gebacken“ oder „Forelle blau“ mit fangfrischen Tieren zu versorgen, muß man aber nicht für jeden Fang die weite Reise zum Teich antreten. Einmal im Jahr wird mit großem Personalaufwand mit Netzen abgefischt. Die lebenden Karpfen und Forellen werden in den Fischkalter des Stiftes transferiert. Hier schwimmen die Schuppen- und Graskarpfen jetzt in einem der fünf Becken der feudalen barocken Säulenhalle. Viele Generationen seit 1692. In der Mitte jedes der Bassins wacht ein männlicher Schutzpatron aus dem Christentum und der griechischen Mythologie wie hier „David mit dem Bären“. Barocke Fresken an den Kuppeln. Jagdtrophäen an den Wänden. Aus den Wasserspeiern plätschert das Wasser. An der Wand hängt eine Balkenwaage mit Gewichtern. Im Winter werden die Fische an die weltliche Laufkundschaft verkauft. Dietmar, der Forst- und Fischwart steht dann im Schlachtraum, mit Gummischürze, Metallgewebe-Handschuhen und einem sehr scharfen Messer und fragt dann die Kundschaft: „Filettiert, geschuppt und ausgenommen oder lebend im Ganzen?“

Baum-Piercing

Bei Schloss Saint-Lager im französischen Fepartement Rhone gibt es eine Allee mit mächtigen Platanen. Ein Baum am Anfang der Strasse fällt auf, weil ein Eisenring in seine Rinde eingewachsen ist. Eine Kette führt vom Baum zu der Mauer auf der anderen Seite der Strasse. Wie lange hat es wohl gedauert, bis der Baum den Ring in sich aufgenommen hat, wie ein Kriegsveteran einen Granatsplitter in seinem Leib. Es findet eine Feier statt im Schloss. Die Kette wird noch oft an diesem Tag geöffnet und geschlossen werden für die Autofahrer.

 

Klettern auf glatten Stämmen

Keine Gletscherspitzen erklimmt man mit Sporen dieser Dimension. Reitbare Tiere würden einen Einsatz in ihre Hüften nicht ertragen. Pilotversuche im großen Maßstab für Hahnenkämpfe auf Modell solcher Hacken werden nicht abgehalten.

Es sind die Schuhe des Baum-Arbeiters Christoph, die er mit einem „Austria“ – Klebeband versehen hat, um bei internationalen Wettkämpfen der Treeworker seinen Patriotismus zu zeigen. Speziell für Nadelbäume mit glatten Stämmen wie Föhren, Fichten oder Tannen benötigt man die Steigeisen. Erklimmt werden die Bäume, um dürre Äste zu entfernen. Im Sonderfall werden Bäume auch bestiegen, um sie von oben scheibchenweise abzutragen, wenn die Fällung eines Baumes aus Platz- oder Sicherheitsgründen nicht möglich ist. An den Gebrauchsspuren sieht man, dass er das nicht zum ersten mal macht.

Pilgern nach Mariazell

Nach einem Fußmarsch mit schweren Rucksäcken kehren die Pilger für ein Mittagessen ein. Die Jakobsmuschel haben sie von Santiago de Compostela als Erinnerung an den Camino. Von Klein-Mariazell beim Hafnerberg bis nach Mariazell soll die Route gehen. Bei einem Tagesspensum von etwa 30 Kilometern ist das in drei Tagen zu schaffen. Nach der Besichtigung der Reliquiensammlung  beim FLUHM-Orden in Klein-Mariazell geht es über die Araburg nach Lilienfeld und von dort weiter nach Annaberg, Sankt Sebastian und Mariazell. Via Sacra heißt dieser alte Wallfahrer-Weg und so heißt auch das Menü, welches die Wanderer bestellen. Hier im Gasthaus Renzenhof in Kaumberg ist man an Wallfahrer gewöhnt. Nach dem Bestellen hat Herr Pfeiffer, der Wirt, alle Zeit und Ortskenntnis, um die Tages-Route auf der Wanderkarte zu beprechen. Zum Nachlegen von Briketts zieht der Wirt einen weißen Arbeitsmantel und weiße Handschuhe an. Der gußeiserne Ofen hat Fenster aus Glimmer, man sieht das Feuer flackern. Zuletzt bringt die Köchin noch das Stammbuch und bittet um einen Eintrag.

Schutzschild Schilf

Schilf, so weit man sieht. Schilfmandeln werden aus dem abgeernteten Schilf gestapelt und sind quasi Stamminventar einer pannonischen Landschaft. Egal, ob man seine Eislaufschuhe mitnimmt, einen Trockenanzug oder Badehosen, wer den Neusiedlersee besucht, kennt den breiten Schilf-Gürtel, der den See wie ein Schutzschild umstellt. Mehr als die Hälfte der Wasserfläche ist mit dem Süßgras bedeckt – das sind 180 km2. Das Schilf ist ein wichtiger Lebensraum für Vögel, Säugetiere und Fische. Auch die Südrussische Tarantel lebt hier. Das Ernten des Schilfes ist wichtig für eine Reduktion der Biomasse und um ein Zuwachsen des Sees zu verhindern. Mit Erntemaschinen, die „Seekühe“ heißen, wird das Schilf wie mit einem Mähdrescher geschnitten. Die Schilfschnitter aus der Zeit vor der Automatisierung waren noch mit Sicheln im Röhricht unterwegs und haben von Hand geerntet. Wie der Arbeiter, der gerade Bündel macht. Aus diesen wird dann Dach gedeckt. Dann schützt das Schilf unser Haus.

Eisschollen in Pannonien

Meterhoch getürmte Eisplatten am Südstrand von Podersdorf verstellen den Blick zum Leuchtturm. Zwei Spaziergänger erklimmen mit Mühe den rutschigen Berg. Die Platten gleiten aufeinander wie Kugellager und ein Vorankommen gelingt nur schwer. Die Rettungsleiter, welche im Notfall zur Einbruchstelle eines Eisläufers vorgeschoben wird – damit der Retter sein Gewicht auf eine größere Fläche verteilt – und das Seil, welches dann zugeworfen wird, ist an diesem Tag ein wenig beachtetes Requisit. Kein Eisläufer in Sicht. Die Oberfläche des Sees ist rauh wie ein Schuppenpanzer. Rasch einsetzendes Tauwetter hat die Eisschicht vor einigen Tagen schmelzen lassen, ein Sturm vom Westen her hat die Schollen an das Ufer gedrückt. Ein Neunzigjähriger kann sich an einen ähnlichen Eisstoß erinnern, er war damals noch ein Bub.