Es gibt sie doch noch, die Welt ohne Fernsehgerät, ohne Internet, WELAN und ohne Mobiltelefon. An der Arbeit zu einem Buch über das Mühlviertel habe ich den Bauernhof der Ederbauern gefunden. Es ist ein traditioneller Vierkanthof in „Steinblass“-Bauweise, mehrere hundert Jahre alt. Lisl sitzt neben dem Ofen, wo sie gerade die Wäsche trocknet. Ihr Bruder Hubert hört am Esstisch im Herrgottswinkel Radio. Den Tag haben sie mit Melken, Apfelmostherstellung, Sensen schärfen und Hausarbeit verbracht. Gleich wird der Nachbar anläuten und einen Zettel vorbeibringen, mit einem Gedicht für Hubert, das von seinen Freunden am Wochenende zum Hubertus-Tag geschrieben wurde. Hubert mag es, Gedichte zu lesen und zu schreiben.
Medizinfrau vor der Schwitzhütte
Nicht in Utah oder Arizona hat Medizinfrau Inge ihre Schwitzhütte, sondern in Lunz am See neben dem rauschenden Ybbs-Gebirgsfluss. Sie sitzt beim Altar und schwenkt ihre Friedenspfeife in die vier Himmelsrichtungen. Das Gerüst der Hütte ist aus gebogenen Haselstöcken. Decken in mehreren Lagen bilden dasDach. Fluss-Steine werden im offenen Feuer bis zur Rotglut erhitz und in die Hütte gelegt. Die Steine stellen in der schamanistischen Religion Brüder, Schwestern und Verwandte dar. Ist man einmal im Schwitzzelt, bewegt man sich in Richtung des Sonnenkreislaufes, also im Uhrzeigersinn. Es ist so finster, dass eine Rassel weitergereicht wird, an denjenigen, der sprechen wird. Die Ahnen werden zu persönlichen Anliegen befragt und zu Themen, welche Mutter Erde betreffen. Tabak und weißer Salbei werden auf die glühenden Steine gestreut, Trommeln und Gesang dringen nach draußen. Eine Sitzung im Schwitzzelt kann einen halben Tag dauern.
Portfolio Food
Es gehört zum Alltag des Fotografen, neben dem Belichten auch Bildanfragen zu bearbeiten und Portfolios zu erstellen. Ich habe den Ausdruck „Werkschau“ für so ein Sammelsurium bereits bestehender Aufnahmen viel lieber. Für die Anfrage eines deutschen Verlages, der ein Buch über regionale österreichische Küche plant, habe ich dieses PDF gemacht. Beim Weiterblättern erscheint auch ein „Kirschenturm mit Blattgoldauflage“, den ich gerne in die Rubrik „Architektur“ verpflanzt hätte.
Küstenwache in Sardinen
„Salvataggio“ kann man auf dem Aussichtsturm des Rettungsschwimmers lesen: „Rettung“. Um fünf Uhr morgens branden die Wellen heran. Wenn das Salzwasser in den Sand einzieht, gluckst es leise und die Feuchtigkeit hinterläßt einen dunklen Rand. Regenwolken schieben sich auf die Costa Verde zu. Wenn der Rettungsschwimmer der Gemeinde Arbus gegen 9 Uhr seinen Turm besteigt, wird wahrscheinlich noch niemand hier baden. Er wird seinen 8-Stunden Arbeitstag damit zubringen, die Schwimmer zu beobachten.
Der längste Tag des Jahres
Sonnenwende in der Buckligen Welt. Die kürzeste Nacht wird ausgelassen gefeiert. Im Keltendorf in Schwarzenbach wird ein großes Sonnwendfeuer abgebrannt. Hunderte Menschen sind zusammengekommen und wandern in einer Prozession um den Scheiterhaufen. Manche haben Stierhörner am Kopf und ihre Oberkörper mit Okker bemalt. Archaische Fanfarenklänge begleiten den Zug. Dann werfen sie ihre Fackeln in die Mitte und entfachen das Feuer. Die Hitze ist so groß, dass man sich in großem Abstand im Kreis aufstellt. Eine Tänzerin erscheint. Sie hat lanzenähnliche Lichtspeere und jongliert damit in einem Limbotanz vor der Feuerwand. Ihre kleinen Flammen verschmelzen mit dem Großen zu einer weiß-gelben Plasmafläche.
Ringwolke
Nach langer Fahrt ins Ausseerland werfe ich einen letzten Blick zum Grimmenstein. Das frühe Morgenlicht tauchte den Berg um 5 Uhr in ein glutrotes Licht. Die besten Fotos waren im Kasten – so glaubte ich zumindest, und legte mein Stativ zur Weiterfahrt zusammen. Da formte sich eine ringförmige Wolke und stand minutenlang da, als würde sich die Landschaft selbst durch einen Venus-Spiegel betrachten wollen. Dem Radfahrer war es egal. Beim Vorbeiradeln habe ich ihm zugerufen: „Unglaublich, diese Wolke!“ – „Jo mei, des gibt´s bei uns öfter im Frühjahr……“ Dass hier eine Wetterscheide ist, wissen die Einheimischen.